Ganganalyse

Gehen ist die Bewegungshandlung an der Basis der menschlichen Fortbewegung und ist grundlegend für die Autonomie des Individuums. Das Gehen ist die erste von den Gesundheitsämtern empfohlene Form der körperlichen Betätigung, da es zur Vorbeugung von Gelenk-, Herz- und Lungenproblemen beiträgt und gleichzeitig den Stoffwechsel beschleunigt und das Diabetes-Risiko [1]verringert: Es ist daher nicht überraschend, dass die Wiederherstellung seiner vollständigen Leistungsfähigkeit das Endziel mehrerer therapeutischer Maßnahmen ist.
Gehen ist nicht so einfach, wie es scheinen mag: Kognitive Aufmerksamkeit und Muskelkraft müssen angemessen sein und von einer guten motorischen Kontrolle begleitet werden, die für die Koordination der sensorischen Eingaben und der Muskelkontraktion unerlässlich ist [2]. Eine Bewegungsstörung kann sich also auf verschiedene Aspekte auswirken, manifestiert sich aber immer mit einer erhöhten Variabilität und Asymmetrie der Bewegung, was zu Kompensation, Ineffizienz und erhöhtem Energieaufwand führt[3].
Es gab schon immer Studien über Störungen des Gleichgewichts und des Bewegungsablaufs (Dyskinesien), und im Laufe der Zeit wurde dank immer raffinierteren Messinstrumente die rein optische Beobachtung durch die heutige Gait Analysis (GA) ersetzt [4]. Die GA ist als nützliche Evaluationsmethode im Bereich der Bewegungsforschung anerkannt, da sie es erlaubt, motorisches Verhalten zu objektivieren. Im klinischen Bereich werden heute üblicherweise Videosysteme, Kraftmessplattformen und elektromyographische Sonden eingesetzt, um Informationen über Kinetik, Kinematik und Muskelaktivierung zu erhalten. Eine vollständige Untersuchung erfordert auch die Beteiligung mehrerer Berufsgruppen (Physiatiker, Physiotherapeut, biomedizinischer Ingenieur usw.): die Gesamtkosten sind daher beträchtlich [5].
Umständliche Instrumente und zu viele Personen, die die Übung beobachten, können jedoch die Qualität des Gehens eines Patienten beeinträchtigen. Die Fähigkeit, die menschliche Bewegung in einer ökologischen (natürlichen) Umgebung zu erfassen, würde daher mehrere Vorteile mit sich bringen, darunter die Möglichkeit, verschiedene motorische Bewegungshandlungen mit einer schnellen und minimalen Vorbereitung ohne besondere Beteiligung der analysierten Testperson zu bewerten und somit repräsentativere Werte zu erhalten [6]. Um eine stärkere Nutzung der GA zu fördern, wird es daher immer wichtiger, von der Nutzung großer und teurer Laboratorien wegzukommen und stattdessen flexiblere und tragbare Technologien einzusetzen, die durch den technologischen Fortschritt verfügbar werden.
Eine der Hauptantworten in diesem Sinne liefern inertiale und optische Detektionssysteme wie Gyko und Optogait, die die Analyse von Raum-Zeit- und Haltungswerten ermöglichen: Die Quantifizierung dieser Makro-Parameter während eines Erholungspfades hilft bei der Früherkennung potenzieller Probleme und unterstützt die Definition der nächsten Schritte durch die Objektivierung von Trends, Verbesserungen oder Veränderungen spezifischer motorischer Muster.
Zu den wichtigsten und hauptsächlich überwachten Parametern gehören:
- Dauer (in Prozent des Schrittzyklus) der Gehphasen. Da es sich beim Gehen um eine zyklische Bewegung handelt, wurde der Gehzyklus bzw. Schrittzyklus (gait cycle oder stride) traditionell definiert als die Zeitspanne oder die Abfolge von Ereignissen oder Bewegungen während der Fortbewegung, die beginnt, wenn ein Fuß den Boden berührt, und endet, wenn derselbe Fuß den Boden das nächste Mal berührt. Jeder Gehzyklus (100 %) unterteilt sich in die Phase des Aufsetzens (stance phase, in der Regel etwa 60 %) und Swing-Phase (swing phase, 40 %). Beide Phasen lassen sich weiter in verschiedene Unterphasen unterteilen (siehe Abbildung 1).
- Schritt- und Zykluslängen
- Zeitparameter. Zu den Parametern von primärer Bedeutung gehören die Schrittzeit (vom Aufsetzen des Fußes zu seitlichem Aufsetzen des Fußes), die Zykluszeit und die Schrittfrequenz. Die Phase, in der der Fuß den Boden berührt, kann weiter in drei Unterphasen unterteilt werden, die durch eine unterschiedliche Funktion gekennzeichnet sind (siehe Abbildung 2).
- Gehgeschwindigkeit
- Dynamische Rumpfhaltung. Hier lassen sich eventuelle Ausgleichsbewegungen des Oberkörpers erkennen (siehe Abbildung 3).
Sobald diese Werte vorliegen, ist es wichtig, Asymmetrien zwischen der rechten und linken Extremität zu bewerten, die, wenn sie hoch sind, auf Schwierigkeiten bei der Gleichgewichtskontrolle und Störungen beim Gehen hinweisen können.
Schließlich ist es ebenso wichtig, dass die Variabilität der Bewegungshandlung reduziert wird, da ein Anstieg ihres Wertes auf ein größeres Sturzrisiko, Fragilität, Abweichungen in der Muskelfunktion und Haltungskontrolle hindeuten könnte [7].

Abbildung 1 Unterteilung in Phasen des Gehzyklus bzw. gait cycle.

Abbildung 2 Unterteilung der Phase des Aufsetzens bzw. stance phase in Unterphasen.

Abbildung 3 Haltungsparameter, die bei der Ganganalyse am häufigsten ausgewertet werden: Mitte-Seite und Vorwärts-Rückwärts Bewegungen sowie das Bewegungsfeld.
BIBLIOGRAFIE
[1] S. Hanson and A. Jones, “Is there evidence that walking groups have health benefits? A systematic review and meta-analysis,” Br. J. Sports Med., vol. 49, no. 11, pp. 710–715, Jun. 2015, doi: 10.1136/bjsports-2014-094157.
[2] “Human gait and Clinical Movement Analysis - Abu‐Faraj - - Major Reference Works - Wiley Online Library.” https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/047134608X.W6606.pub2 (accessed Sep. 03, 2019).
[3] “Gait disorders in adults and the elderly.” https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5318488/ (accessed Sep. 03, 2019).
[4] “The history of gait analysis before the advent of modern computers. - PubMed - NCBI.” https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17306979 (accessed Sep. 09, 2019).
[5] S. R. Simon, “Quantification of human motion: gait analysis—benefits and limitations to its application to clinical problems,” J. Biomech., vol. 37, no. 12, pp. 1869–1880, Dec. 2004, doi: 10.1016/j.jbiomech.2004.02.047.
[6] “Capturing Human Motion in Natural Environments - ScienceDirect.” https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2351978915008872 (accessed Sep. 09, 2019).
[7] J. M. Hausdorff, “Gait variability: methods, modeling and meaning,” J. Neuroengineering Rehabil., vol. 2, p. 19, Jul. 2005, doi: 10.1186/1743-0003-2-19.